Warum die Artenvielfalt im Darm-Mikrobiom weltweit abnimmt – und wie eine „Arche Noah für Kot“ helfen kann, sie zu retten
Der menschliche Darm ist Heimat für eine atemberaubende Vielfalt an Mikroorganismen – Bakterien, Viren, Pilze und Archaeen. Dieses sogenannte Mikrobiom übernimmt zentrale Aufgaben: Es unterstützt die Verdauung, stärkt das Immunsystem, bildet Vitamine und schützt vor Krankheitserregern. Ein gesundes Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Diversität aus – ähnlich wie ein gesunder Regenwald. Doch genau diese Vielfalt ist weltweit bedroht.
Rückgang der mikrobiellen Artenvielfalt – ein globales Phänomen
Zahlreiche Studien zeigen, dass die mikrobiellen Ökosysteme in den Gedärmen von Menschen in westlichen Industrieländern heute deutlich armer an Arten sind als die ihrer Vorfahren oder indigener Bevölkerungsgruppen. Beispielsweise besitzen Menschen aus traditionellen Lebensgemeinschaften in Südamerika oder Afrika oft bis zu 30 % mehr mikrobielle Vielfalt als Personen in urbanisierten Regionen Europas oder Nordamerikas.
Warum der Verlust der Mikrobiom-Diversität problematisch ist:
Ein weniger vielfältiges Mikrobiom ist anfälliger für Störungen. Es wird mit einer Vielzahl moderner Erkrankungen in Verbindung gebracht:
• Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Typ-1-Diabetes
• Allergien und Asthma
• Depressionen und neurodegenerative Erkrankungen
• Adipositas und metabolisches Syndrom
Diese Erkrankungen nehmen weltweit zu. Auch viele andere Krankheiten scheinen mit einem ungünstigen Mikrobiom zusammen zu hängen. Der Rückgang der mikrobiellen Diversität scheint ein unterschätzter, aber zentraler Faktor zu sein.
Ursachen dieses Rückgangs:
- Westliche Ernährung: Hochverarbeitete Lebensmittel, Zucker, künstliche Zusatzstoffe und ballaststoffarme Kost fördern nur wenige Bakterienarten – andere sterben aus.
- Antibiotika: Diese Medikamente töten nicht nur Krankheitserreger, sondern auch nützliche Darmbewohner. Wiederholte Einnahme kann langfristige Schäden verursachen.
- Hygienestandards: Zwar schützen moderne Hygienemaßnahmen vor Infektionen, sie verhindern jedoch auch den frühkindlichen Kontakt mit nützlichen Mikroben.
- Kaiserschnitt & Stillverzicht: Babys, die per Kaiserschnitt geboren werden oder nicht gestillt werden, erhalten weniger wertvolle Mikroben von der Mutter.
- Urbanisierung und Umweltfaktoren: Der Rückzug in sterile Innenräume reduziert den Kontakt zu natürlichen Mikroben aus Boden, Pflanzen und Tieren.
Arche Noah für Kot – ein visionäres Rettungsprojekt
Um die bedrohte Vielfalt unseres inneren Ökosystems zu retten, arbeiten internationale Wissenschaftler an einer ungewöhnlichen Lösung: Eine weltweite „Stuhl-Biobank“ – auch als „Arche Noah für Kot“ bekannt.
Das Prinzip ist einfach und genial:
• Fäkalproben von Menschen mit besonders vielfältigem, gesundem Mikrobiom – insbesondere aus traditionellen Lebensgemeinschaften – werden gesammelt, eingefroren und langfristig konserviert.
• Diese Proben dienen als mikrobielles Reservoir für zukünftige therapeutische Zwecke, z. B. für fäkale Mikrobiomtransplantationen (FMT).
• Ziel ist es, verlorengegangene Bakterienarten gezielt zurückzuführen und die Diversität im Darm zu regenerieren.
Ein solches Projekt existiert bereits unter dem Namen „The Microbiota Vault“, inspiriert vom weltbekannten Saatgut-Tresor auf Spitzbergen. Unterstützt wird es u. a. von der ETH Zürich, der Rutgers University und der Universität Lausanne.
Was du selbst tun kannst, um dein Mikrobiom zu schützen:
Auch wenn die globale Entwicklung alarmierend ist, gibt es gute Nachrichten: Du kannst aktiv Einfluss auf dein Mikrobiom nehmen – jeden Tag.
• Ballaststoffreiche Ernährung (Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorn, Nüsse)
• Fermentierte Lebensmittel (z. B. Sauerkraut, Kimchi, Joghurt, Kefir)
• Vermeidung unnötiger Antibiotika
• Natürlicher Lebensstil mit Kontakt zur Natur und Erde
• Stressreduktion & Schlafhygiene
Es liegt an dir, durch bewussten Lebensstil, Ernährung und eine sinnvolle Umsetzung vom Wissensschatz der Epigenetik, Biologie und Darmgesundheit die Vielfalt im eigenen Inneren zu fördern – zum Wohle deiner Gesundheit und der künftiger Generationen.